Es war einmal ein kleiner Junge namens Jakob, der in einem winzigen Dorf am Rande eines großen, geheimnisvollen Waldes lebte. Jakob war ein kluger Junge, doch es gab eine Frage, die ihn unaufhörlich beschäftigte: „Woher kommen meine Gedanken, und wohin verschwinden sie?“
Der weise Mann und der Rat
Eines Tages, als er diese Frage laut vor sich hin sprach, hörte ihn ein alter, graubärtiger Mann, der still auf einer Bank am Dorfplatz saß. Es war der Weise des Dorfes, der von den Menschen selten angesprochen wurde, weil er so geheimnisvoll war. Er rief Jakob zu sich und sagte: „Du willst wissen, wo die Gedanken entstehen und wohin sie gehen, mein Junge? Dann musst du dich auf eine Reise begeben. Folge dem Pfad durch den Wald, bis du zur alten Eiche kommst. Dort wirst du die Antwort finden.“
Die Reise zur alten Eiche
Jakob, mutig und neugierig, tat wie ihm geheißen. Er nahm einen Wanderstock und machte sich auf den Weg in den tiefen Wald. Der Pfad war schmal und führte ihn tiefer und tiefer hinein, bis er schließlich die uralte Eiche fand. Sie war mächtig und groß, ihre Äste ragten weit in den Himmel, und ihre Wurzeln gruben sich tief in die Erde.
Der Hüter der Gedanken erscheint
Als Jakob die Eiche betrachtete, erschien vor ihm eine seltsame Gestalt – ein kleines Wesen, kaum größer als ein Kaninchen, mit leuchtenden Augen und einem verschmitzten Lächeln. „Ich bin der Hüter der Gedanken,“ sagte es, „und ich kann dir die Geheimnisse verraten, die du suchst.“
Das Geheimnis der Gedanken
„Bitte,“ sagte Jakob aufgeregt, „sag mir, woher meine Gedanken kommen und wohin sie verschwinden.“
Das Wesen grinste breit. „Gedanken sind wie der Wind,“ begann es. „Sie kommen aus dem weiten, offenen Himmel, dort, wo alles still und weit ist. Wenn du still wirst, wie der Himmel über den Wolken, erscheinen Gedanken aus dem Nichts – ganz von allein. Doch sie gehören dir nicht, sie schweben nur durch dich hindurch, wie der Wind durch die Bäume.“
Jakobs Fragen und das Geheimnis der Gedanken
Jakob nickte nachdenklich. „Aber warum kann ich sie dann denken? Und warum verschwinden sie wieder?“
„Ah,“ sagte der Hüter, „das ist das Geheimnis. Gedanken kommen, weil dein Geist sie anzieht, wie ein Magnet. Doch genau wie der Wind weht, bleiben sie nie lange. Sobald du sie festhalten willst, lösen sie sich auf, weil Gedanken nichts Festes sind. Sie sind wie Schatten auf dem Wasser, die Sonne kommt und sie verschwinden. Wenn du still bleibst, ohne sie zu greifen, ziehen sie vorbei und verschwinden zurück in den Himmel, aus dem sie gekommen sind.“
Die wahre Natur der Gedanken
Jakob war erstaunt. „Dann sind meine Gedanken also nicht wirklich?“
Das Wesen lachte. „Oh, sie sind echt, so wie der Wind echt ist, aber sie haben keine feste Form. Sie kommen und gehen, ohne je wirklich festzubleiben. Du kannst sie nicht halten, und du brauchst es auch nicht.“
Jakob fühlte sich plötzlich ganz leicht, als ob eine Last von ihm genommen wurde. Er schaute in den Himmel über der Eiche und sah, wie die Wolken sanft vorbeizogen, ohne Eile, ohne Ziel.
Jakob versteht die Natur seiner Gedanken
„Jetzt verstehe ich,“ sagte er schließlich. „Meine Gedanken sind wie Wolken. Sie kommen und gehen, und ich kann sie einfach vorbeiziehen lassen.“
„So ist es,“ sagte der Hüter der Gedanken. „Lass sie ziehen, und du wirst immer Frieden finden.“
Jakob kehrte mit einem neuen Wissen zurück ins Dorf. Von diesem Tag an wusste er, dass seine Gedanken wie der Wind kamen und gingen, und er brauchte nur still zu sein, um ihre wahre Natur zu erkennen.